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Datenschützer verlangen sofortigen Stopp der Hausarztverträge

KIEL (reh). Das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz in Schleswig-Holstein (ULD) verlangt in einem Appell an Gesetzgeber, Krankenkassen und Hausärzte, alle Maßnahmen zur weiteren Umsetzung der hausarztzentrierten Versorgung sofort einzustellen. Die Datenschützer sehen das Sozial- und Patientengeheimnis gefährdet und glauben, dass die Kassen mehr Daten erfassen als gesetzlich erlaubt.

Das derzeit praktizierte Verfahren der hausarztzentrierten Versorgung (HzV) nach Paragraf 73b SGB V sei verfassungswidrig und verletze das Grundrecht auf gesicherte informationelle und medizinische Selbstbestimmung der gesetzlich Krankenversicherten, erklärt das ULD. Dabei werde auch die Behandlungsfreiheit der Ärzte unkontrolliert eingeschränkt. Positive medizinische Effekte durch die HzV - so die Datenschützer - seien bisher jedoch nicht nachgewiesen.
Gefahrenquellen gibt es laut ULD gleich mehrere: Da wäre einmal die Tatsache, dass nun private Anbieter in das Versorgungsmodell eingebunden würden. Gemeint sind damit die privatrechtlich organisierten Hausarztverbände und deren Dienstleister. Denn für die Abrechnung der Leistungen aus den HzV-Verträgen sind nicht die KVen, sondern die Hausarztverbände und eben ihre Dienstleister - unter ihnen auch Software-Hersteller - verantwortlich.
Das Problem: Für die Datenschutzkontrolle dieser privaten Datenverarbeiter seien nicht die Landesbeauftragten oder der Bundesbeauftragte für Datenschutz zuständig. Die Kontrolle erfolge stattdessen über die für private Organisationen zuständigen Aufsichtsbehörden nach Paragraf 38 SGB. Damit werde - erläutert das ULD in einem Hintergrundbericht - nicht mehr geregelt, als dass die medizinischen Abrechnungsdaten nicht mit sonstigen verarbeitenden personenbezogenen Daten der jeweiligen Stellen vermischt werden dürften.
Es aber noch eine Befürchtung der Datenschützer: Weil diese privaten Anbieter in das Versorgungsmodell eingebunden seien, könnten die Kassen mehr Daten bekommen als früher. Denn die HzV-Module in der Praxis-EDV - auch das wird im Hintergrundbericht erklärt - würden die für notwendig deklarierten Daten aus dem Arztpraxissystem automatisch erfassen und über den Hausärzteverband und dessen Dienstleister an die Kassen übermitteln.
Außerdem könne in den Versorgungsverträgen zwischen rentablen und unrentablen Patienten unterschieden werden. Und das ULD sieht die Datensicherheit der IT-Systeme in den Arztpraxen als gefährdet, weil für jeden dieser Versorgungsverträge eine gesonderte Schnittstelle zum Praxissystem erforderlich sei. Wobei das ULD hierbei völlig vernachlässigt, dass ja auch in den HzV-Verträgen ähnlich wie bei der elektronischen Gesundheitskarte ein Konnektor bei der Datenübertragung zum Einsatz kommt. Dieses Gerät, dass zwischen Onlineanschluss und Praxis-EDV gestellt wird, verschlüsselt und entschlüsselt die übermittelten Daten.
Fraglich ist auch, warum das ULD und ihr Chef Thilo Weichert sich gerade jetzt melden. Schließlich gab es die Diskussion um den Datenschutz bei den HzV-Verträgen längst. Ebenfalls nicht neu ist, dass auch private Unternehmen in die Abrechnung ärztlicher Leistungen eingeschaltet werden. Privatärztliche Verrechnungsstellen gibt es schließlich schon seit Jahrzehnten. Und auch für sie gelten die Regeln des Datenschutzgesetzes. Nichts desto trotz fordert Weichert der Hausärzteschaft und Patienten auf, nicht an den HzV teilzunehmen.

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